​Die erste E-Mail findest Du hier: Mail 1

Hallo!

schön das Du wieder da bist. Hast Du Dir schon einen heißen Kaffee oder Tee aufgebrüht? ja… dann kann es ja losgehen.

Die letzte Mail, brachte beim schreiben in mir sehr viel in Bewegung. Daher konnte die Geschichte noch nicht einmal richtig anfangen und deshalb habe ich die ersten zwei drei Absätze hier nochmals mit hinein genommen…

Der heiße Kaffee.
Nun, es war im Frühsommer 1981. Morgens früh um 7 Uhr, im Stuttgarter Zentrum. Dort schläft unsere kleine Gruppe von Obdachlosen unter einer Überdachung und wird wie jeden Morgen, pünktlich und höflich jedoch bestimmt von der Polizei geweckt.

Es ist noch kalt und oh Schreck…

meine guten Schuhe, auf denen ich meinen Kopf gebettet hatte, damit sie mir nicht abhanden kommen, sind weg.

Diese Schuhe waren nicht irgendwelche Schuhe. Ich habe sie geliebt, weil man darin so unglaublich gut laufen konnte. Wenn ich sie trug, fühlte ich mich Wohlhabend, wie der gestiefelte Kater. Zum Glück verspricht es ein schöner Frühsommertag zu werden, so das der Verlust nicht so schmerzlich ist.

Also auf zu den Schließfächern unter der Erde…

Zu dieser Zeit gab es Schließfächer, bei denen man mit einem Trick, ohne Geld einzuwerfen, seine Sachen unter bringen konnte. Ich legte meinen Schlafsack in das Fach, schnappte mir Zahnbürste, Haarbürste und ein Handtuch. Ging auf eine öffentliche Toilette zum morgendlichen Waschen, immer darauf bedacht, nicht all zu sehr aufzufallen.

Danach ging ich wieder nach oben ins Sonnenlicht. Da suchte ich mir einen freundlichen Menschen aus, welcher mir zu meinem morgendlichen Kaffee verhelfen würde.

Schnorren nannte man das damals. Also betteln... Mir ist es nicht immer leicht gefallen, auf diese Weise Geld zu besorgen. Darum suchte ich mir die Menschen immer sehr genau aus. Ich ging nur zu denen, bei denen ich mir sicher war, das ich dort Geld geschenkt bekam.

Das junge Paar, auf das ich dann zuging, wirkte im ersten Moment nach meiner Frage sehr überrascht. Gab mir dann aber gerne 1,- DM. In meinem Bauch entstand sofort ein warmes freudiges Gefühl, in Erwartung auf den heißen Kaffee. Den man vielleicht nur, wenn man auf der Straße lebt, mit so einem Genuss zu schätzen weiß. Eine große stille Freude erfüllte mich plötzlich durch und durch, und ich durfte den beiden diese Freude, mit meinem Dank zeigen.

Dann ging ich zu meinem morgendlichen Ritual über. Ich holte mir einen Kaffee, aus einem Kiosk, in der Unterführung. Fast schon nebenbei ergatterte ich mir noch eine Zigarette. Dann ging es wieder nach oben, in den Sonnenschein und ich setzte mich auf die großen Stufen vor dem Wilhelmsbau.

Damit mein Kaffee schön warm blieb, hielt ich ihn in meinen Händen. Nahm dann einen schönen Schluck von demselben und ließ mir von einem vorbei eilenden Passanten, meine Zigarette anzünden. In diesem Moment wechselte ich in eine andere Wirklichkeit.

Denn mein erster Tagesabschnitt war damit zur Gänze erfüllt und ich besaß nun alle Zeit der Welt. Durch die Wärme des Kaffees und der Sonne, fingen die Glieder an sich zu entspannen und meine Poren öffneten sich. Das half mir, die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Ein Gefühl von Dankbarkeit und Eins Sein stellte sich ein.

In dieser Zeit auf der Straße, habe ich tatsächlich Lotto gespielt … Dort habe ich auch sehr außergewöhnliche Menschen kennengelernt, von denen ich viel gelernt habe.

Wie es weitergeht?... erfährst Du beim nächsten Mal.

Anita und ich wünschen Dir einen ganz tollen Tag.

Alles Liebe
Frank Vejvoda